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Kritik – über ihren Wert und Auswirkungen auf die Gesundheit

Es wird wohl kaum einen Menschen geben, der noch nie Kritik bekommen oder einem anderen gegeben hat. Sie ist etwas, was zum Leben dazugehört und nimmt idealerweise einen ganz natürlichen Platz in unserer Gesellschaft ein. Sie hat eine ordnende Funktion unter Menschen und wäre es verboten, sie über bestimmte Personen oder Dinge auszuüben, müsste zurecht die Frage auftauchen, ob autoritäre oder gar totalitäre Verhältnisse vorliegen. Dem Menschen jedenfalls gilt die Kritik – wie auch auf wikipedia nachzulesen ist – als eine der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten.1

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Zunächst erscheint es erforderlich, verschiedene Formen von Kritik zu unterscheiden bzw. von dem Ideal der konstruktiven Kritik abzugrenzen. Übt ein Mensch Kritik an einer Sache oder an den Äußerungen einer Person, kann dies im Sinne der Korrektur konkreter Punkte sehr wertvoll sein. In der Mitte steht die Sache selbst, die mit der Kritik angesprochen wird. Umso sachlicher und objektiver diese zur Darstellung kommt, umso besser kann sie von allen Beteiligten angeschaut werden. Wird beispielsweise in einer Gesprächsrunde ein gemachter Beitrag in der Weise kritisiert, dass dieser mit Informationen überladen und deshalb schwer wirke und es an Beziehungsaufnahme zu den Zuhörern mangle oder dass ein Inhalt an einer bestimmten Stelle nicht passe, bleibt das auf einer Sachebene, ohne verletzend zu wirken.

Abzugrenzende Formen

Anders verhält es sich bei Kritikformen, die direkt an der Person festgemacht werden. Wie oft wird beispielsweise über einen anderen Kollegen, ohne dass dieser anwesend ist, geurteilt und gelästert. Da er aber hinter seinem Rücken in Misskredit gebracht wird, hat er keine Chance, sich im Dialog zu stellen und eine Standposition einzunehmen. Das benachteiligt ihn. Wenn man davon ausgeht, dass jeder Gedanke, jedes Werturteil und jedes Gefühl, das ein Mensch gegenüber einem anderen hervorbringt, eine aufbauende oder destruktive Wirkung auf den anderen hat, werden versteckte lästerliche Äußerungen sehr negativ auf den Betroffenen zurückwirken. Beispielsweise wird er sich in der Folge in seinem Kollegenkreis, der sich in dem Wissen über die Lästerei wie zusammengeschlossen hat, sehr schwer tun, einen Stand aufzubauen und nicht mehr richtig in den Arbeitszusammenhang finden. Spaltungsprozesse, Unruhe und nervliche Verausgabungen werden die Folge für ihn sein.

Werden Werturteile öffentlich mit der Absicht einer persönlichen Schmähung oder Diffamierung geäußert, geht es nicht um objektive Kritik mit Dialogbereitschaft in der Sache selbst, sondern einzig um Abwertung der Persönlichkeit. Weltverschwörer, Rechtsradikaler, Sektenmitglied oder Widersacher sind moderne Formeln dieser Schmähkritik. Gesundheitlich erleben Betroffene hierdurch eine Art innere Schwächung und Aushöhlung. Sie verlieren das natürliche Gefühl, sich als persönlicher Teil eines Ganzen wahrzunehmen. Sie werden ausgeschlossen. Solche Diffamierungen wirken spaltend unter Menschen. Nicht selten können solche Trauma auch zu Depressionen oder gar – wenn sie anhaltend sind – zum Suizid führen. Herabwürdigen und lästern über andere haben nichts mit dem ursprünglichen Begriff Kritik gemeinsam.

Mögliches Ideal der Kritik und wie sie zustande kommt

Etymologisch stammt der Begriff Kritik von dem griechischen Wort kritiké und trägt die ursprüngliche Bedeutung „Beurteilungskunst“ in sich. Vom Wortstamm her leitet es sich von krinein ab, was so viel wie trennen und (unter-)scheiden heißt. Beides erscheint aufschlussreich. Wenn von einer Kunst die Rede ist, kann deutlich werden, dass Kritik nicht etwas ist, was in banaler Weise, schnellfertig oder beliebig sein kann. Vielmehr setzt eine künstlerische Fähigkeit eine längere Auseinandersetzung, mit der Zeit entwickelte Fertigkeiten und sehr viel Üben voraus.

Kritik entsteht idealerweise aus zuvor stattgefundenen Wahrnehmungsprozessen. Der Mensch muss hierzu in Beziehung treten mit der Sache, der Handlung oder Äußerung einer anderen Person. Er nimmt sensibel wahr, stellt sich Fragen: Um was handelt es sich? Was sind die Kernaussagen? Wie steht die Äußerung in Verbindung mit anderen Aussagen? Fehlen diese vorangehenden bewussten Prozesse oder finden sie nicht in einer ausreichenden Objektivität statt, kommt meist nicht Kritik, sondern eine Projektion zum Ausdruck. Bei dieser werden eigene negative, aber meist unbewusste Eigenschaften verbal auf das Gegenüber übertragen. Subjektiv gefärbte anstatt möglichst objektiv erarbeitete Aussagen werden hierbei getätigt. Fundierte Kritik bedarf aber der Differenzierung von dem, was eigene Anteile oder subjektive Interpretationen sind, zu dem, was die andere Person wirklich zur Aussage bringt. Die oben erwähnte etymologische Wurzel des Begriffes Kritik weist auf die Bedeutung dieser Unterscheidung hin.

Die für eine sozial förderliche Kritik notwendige Unterscheidungsfähigkeit erstreckt sich weiterhin auf die Beurteilung der Sache selbst. Diese Anschauungsbildung bedarf einerseits einer unmittelbaren Aufmerksamkeit zur Sache hin sowie gedanklicher und empfindsamer Regsamkeit. Andererseits sind Fachkunde im Thema und ein Sinn für das, was Entwicklung und ein Gesamtes sein können, von größter Bedeutung. Schließt eine Handlung beispielsweise andere aus oder ist eine Äußerung mehr von einer subjektiven Illusion geprägt, zeigen sie sich für die Entwicklung des Gesamten nicht förderlich. Sie sind mehr von einem eigennützigen Motiv geprägt. Zu unterschieden, was im Sinne einer klaren Aussage oder Handlung aufbauend für eine Gesamtes und was andererseits im Sinne der Illusion hemmend auf die Entwicklung wirkt, stellt eine große Herausforderung für den Menschen und seine Fähigkeit, Kritik zu äußern, dar.

Heinz Grill, der die Phänomene der Welt auch von der seelisch-geistigen Wirklichkeit her erforscht, stellt eine sehr positive Sichtweise zur Kritik dar:

Kritik ist in jeder Weise wünschenswert, denn sie führt Menschen zueinander und erschafft in ihrer Konstruktivität neue Möglichkeiten.“2

Konstruktive Kritik wirkt demnach verbindend. Sie bringt Menschen zueinander, indem sich der eine über den anderen eine Anschauung bildet und mutig in Beziehung tritt. Wird Kritik geäußert, bezieht sich diese aber nicht nur auf das, was oder wie aktuell etwas getan oder gesagt wurde, sondern auch auf die Zukunft. Der Kritik Äußernde bildet sich nämlich auch Gedanken und Vorstellungen, was noch fehlt, damit eine Sache oder Person zu Verbesserungen gelangt und wie Möglichkeiten der Entwicklung für den anderen entstehen können. Falsches kann durch Kritik in aufbauender Weise an die richtige Stelle gebracht werden. Korrektur führt zu einer größeren Objektivität und Richtigkeit. Und so wie ein Schüler, der glaubt, dass drei plus zwei vier sind, korrigiert werden muss, wenn er in der Mathematik Fortschritte machen will, so ist jede Kritik und richtige Einordnung von einem subjektiven Irrtum eine befreiende Gelegenheit, sich in der Entwicklung in eine größere Objektivität und Gültigkeit zu bewegen.

Kritik kann Standpositionen fördern

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Es ist ein häufiges Phänomen, dass auf Veranstaltungen, ganz besonders wenn es um spirituelle oder auch energetisch-esoterische Themen geht, nach einem Beitrag eigenartige Stimmungen und auch Gruppengefühle entstehen. Die einen sind euphorisiert und aufgeladen, andere fühlen sich vereinnahmt und beklemmt. Was ist die Ursache und was wurde ausgesagt? Was hat man wahrgenommen? Traut man sich nun, seinen Eindrücke im Sinne einer Kritik zu äußern oder überlässt man diese lieber einem anderen oder ist Kritik gar nicht gewollt, weil sie die harmonisch-friedlich wirkenden Verbundenheitsgefühle in der Gruppe stören könnte? In solch einer Situation besteht für den Betroffenen die Gefahr, seinen gesunden Stand zu verlieren und sich und seine Wahrnehmungen im Kollektiven aufzugeben.

Macht man sich hingegen mit dem Wert einer konstruktiven Kritik vertraut, fasst man leichter den Mut, diese auch zu äußern. Kritik räumt beiden, also dem, der sie äußert und auch dem, der sie entgegennimmt, einen freieren und besseren Stand ein. Sie wirkt reinigend auf die Atmosphäre. Sie bringt eine größere Ordnung. Wird sie nicht geübt, wenn sie aber notwendig wäre, bleibt etwas Falsches oder Illusionäres stehen. Oft reagiert der Mensch dann mit Unruhe und disharmonischen Gefühlen, weiß aber nicht so recht, woher und wie das zustande gekommen ist.

Kritik führt nicht zu Polarisierungen oder Verhärtung, sondern sie stellt ein adäquates Mittel für einen zusammenführenden Dialog und ein gegenseitiges Wahrnehmen dar. In diesem Zusammenwirken kann der Einzelne besser den individuellen und doch in Objektivität gegründeten Standpunkt finden. Mit der Fähigkeit zur Kritik entstehen Beziehung und großartige Lernschritte in der Entwicklung, für den, der sie leistet und für den, der sie empfängt.

Gesundheitliche Wirkungen

Für den, der Kritik in weisheitsvollem Sinne übt, stellt der komplexe Vorgang von gegenwärtiger Wahrnehmung über differenzierte Anschauungsbildung bis zur sozial integrierbaren Äußerung der Kritik eine große Leistung des Bewusstseins dar. Sehr erfrischend wirkt diese auf die neuronalen Strukturen unseres Gehirns. Fachkunde, Vorstellungen von Idealen und soziale Kompetenzen werden gefördert.

Zur Kritik ist es notwendig, einen konkreten und inhaltlichen Sachbezug herzustellen. Werden anschauliche und logische Inhalte in geordneter Weise in Beziehung gebracht, entsteht immer eine beruhigende und stärkende Wirkung auf die Herzorganisation und die Mitte des Menschen. Er kann sich mit einer eigenen Standposition und in regsamen und geordneten Kontakt mit seiner Außenwelt bewegen. Überspannungen im Herzbereich und in den Kreislaufgefäßen normalisieren sich.

Weitere ordnende Prozesse kommen für den, der eine Kritik annimmt, hinzu. Ganz allgemein kann davon ausgegangen werden, dass falsche Vorstellungen oder Handlungsweisen eine krankmachende Wirkung zur Folge haben. Hat man beispielsweise die Vorstellung, die eigene Innenwelt sei das Maß aller Dinge, in die man sich zufrieden mit sich selbst zurückziehen kann, wird man in sich eine illusionäre Bindung pflegen und sich zunehmend abkapseln. Man schließt sich von einem objektiven Ganzen und von einer universal gültigen Entwicklungsidee ab. Das Immunsystem verliert in dieser Subjektivität seine individuelle Kraft, sich mit dem, was von Außen an den Menschen herantritt, in produktiver Weise zu konfrontieren und auseinanderzusetzen. Es wird inaktiver. Schließlich wird man jegliche Kritik von Außen als schwere Bedrohung wahrnehmen.

Können hingegen falsche Vorstellungen korrigiert werden, fügt sich der Mensch wieder in eine größere und universal gültige Objektivität ein und öffnet sich damit ordnenden Kräften, die seine Gesundheit positiv beeinflussen können. Sein Immunsystem wird aktiver, wacher und neu eingestimmt. Es wird von subjektiven Einhüllungen befreit. Damit kann es wieder natürlicher auf von Außen Kommendes reagieren. Kritik wird dann nicht mehr feindlich gesehen, sondern als Möglichkeit zur Entwicklung integriert.

Aus gesundheitlicher Sicht ist es erwähnenswert, welche Wirkungen unterlassene Kritik haben kann. Was passiert, wenn ein Mensch bei einem anderen etwas wahrnimmt, was nicht stimmig, sondern unsolide ist? Ein Beispiel: Man hilft bei einer anderen Familie im Haushalt aus und bekommt mit, dass viel zu viel gekocht wird und deshalb in der Folge sehr viel von den zubereiteten Speisen weggeworfen werden muss. In der weiteren Auseinandersetzung kommt man zu der Anschauung, dass der andere hier einen Fehler macht. Wenn man diese objektiv als Verschwendung einzuschätzende Tatsache nun nicht anspricht, keine Kritik leistet, dann steht man nicht zu seiner Wahrnehmung und Anschauung. Man muss diese abspalten und ignorieren. Hierin gibt man einen Teil von sich auf. Man beschwichtigt sich vielleicht mit den Worten: „Da kann ich eh nichts ändern. Die machen das ihre, ich mache es bei mir anders. Daher kann ich nur Abstand nehmen.“

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Wiederholen sich solche Erlebnisse in ähnlicher Art, geht dieser Mensch mit der Zeit über in eine Selbstaufgabe. Er zieht sich mit seinen Möglichkeiten zurück und erlebt sich nicht mehr in ausreichender Selbstwirksamkeit. Er steht wiederholt Phänomenen im Außen gegenüber, durch die er eigentlich in seinen inneren Werten und Idealen verletzt wird. Indem er aber diese Verletzung nicht ausreichend wahrnimmt oder meint, mitmachen zu müssen oder nichts ändern zu können, akzeptiert er dieses gewissermaßen ihm fremd Seiende und verleugnet sich selbst. Das schwächt sein Immunsystem in der Weise, dass es wie blind wird und im Körper auftretendes Fremdes ebenfalls toleriert. Es erkennt dann beispielsweise Tumorzellen nicht als Schädliches und reagiert nicht mehr ausreichend. Falsche Toleranz gegenüber diesen kann zu Krebserkrankungen führen.

Wie geht man mit Kritik um?

Günstig und gesund ist es, wenn der Mensch mit einer ihm natürlich innewohnenden oder auch durch Übung erlernten Konfrontationskraft jeglicher Kritik mutig entgegentritt. Er wird dann sehr sachlich mit ihr umgehen und sie nicht zu stark in sein Innenleben hineinnehmen. Vielmehr wird er sich bewusst mit ihr auseinandersetzen und sie dankbar für zu tätigende Lernschritte annehmen und integrieren. Nimmt man Kritik einseitig persönlich, dann gleitet sie stark nach Innen in die Psyche hinein. Man beginnt darüber zu brüten und sich zu grämen. Dabei sieht man aber nicht mehr die mögliche Objektivität und Berechtigung einer Kritik, sondern man sieht nur sich selbst. Dies meist im dem Sinn, dass man sich als Opfer fühlt, das benachteiligt, missverstanden oder ungerecht behandelt wurde.

Überwiegt das unsachliche persönliche Verletztsein, verweigert der Kritisierte meist jeden weiteren Dialog. Er zieht sich zurück und gewinnt damit eine Machtposition, in der er sich als Opfer in der Rolle des moralisch Überlegenen wägt. Hierin liegt größte Aggression. In ganz extremen Fällen, in denen Kritikunzugänglichkeit und Wahrheitsansprüche mit pseudoesoterischen Wahngebilden einhergehen, steigert sich die Aggression zu umfangreichen Vernichtungsfeldzügen gegen den oder die Menschen, die Kritik geäußert haben.

Ausblick

In der gegenwärtigen Zeit erscheint der Mensch von Spannungszuständen infolge von traumatisierenden und spaltenden Ereignissen geschwächt und in sich zurückgezogen. Andererseits sucht er nach neuen Verbindungen. Wenn oft von Krisenjahren die Rede ist, in denen Altes und Unbrauchbares abgelegt und Neues in die Geburt kommen kann, ist es dringlich, dass Irrtümer, illusionäre Bindungen und falsche Erwartungen des Einzelnen erkannt und aufgedeckt werden. Da der Mensch ein Wesen mit sogenannten blinden Flecken ist, der Blick zum Mitmensch oft objektiver ausfällt als zu sich selbst, ist die Möglichkeit der gegenseitigen erbaulichen Kritik ein fortschrittliches Mittel hin zu einer idealeren und universal-gültigeren Zukunftsperspektive. Kritik ist daher nicht Kampfmittel, um gegen andere vorzugehen, sondern sie schafft wieder Beziehungen zwischen Menschen. Bei Kritik geht es prinzipiell nicht um persönliche Dinge, sondern sie wird als ein natürlicher Baustein im Ringen um Inhalte, die für die Zukunft sinnvoll sind, integriert.

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Kritik – abgerufen am 11.3.2024 ↩︎
  2. Heinz Grill: Die Kunst der freien Spiritualität – Personenkult und die Bedeutung des Guru, Artikel vom 20. Juli 2019, abgerufen am 11.3.2024 unter https://heinz-grill.de/yoga-personenkult/ ↩︎